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Der Emscher-Salon fördert den Dialog der Kulturen
über eine gemeinsame Zukunft durch Bürgerbeteiligung
auf Stadtebene

Idee und Konzept: Rüdiger Ganslandt, Klaudia Maas, Veronika Maruhn
Bearbeitung: Klaudia Maas, Ralf Schumacher

I. Die Idee

Dem Thema Kultur kommt bei der Entstehung des Neuen Emschertals eine zentrale Rolle zu. Das Projekt wird nur dann wirklich erfolgreich sein, wenn es von der Bevölkerung nicht nur akzeptiert, sondern darüber hinaus quer durch alle Gruppen der ausgeprägt multikulturellen Gesellschaft als Zukunftsträger erkannt wird. Über die technische Realisierung der Neuen Emscher ist schon seit Jahren ein breit angelegter Dialog geführt worden. Für den interkulturellen Dialog über die Zukunft der Menschen an der Emscher muss dagegen noch eine Plattform geschaffen werden.

Im Rahmen des Projekts „emscher:reloaded – crossculture along the river“ soll der Emscher-Salon diese Aufgabe übernehmen. Er soll den Dialog der Kulturen über eine gemeinsame Zukunft fördern. Durch die Öffnung des historisch eher elitär angelegten „Salons“ für die Menschen der Region, die konsequente Bürgerbeteiligung auf Stadtebene und nicht zuletzt die Kopplung mit partizipatorischen Theaterformen wird ein innovatives künstlerisches Konzept verwirklicht, das den Dialog der Kulturen auf eine neue Basis stellt.

Entscheidend für den Erfolg der Salonveranstaltungen ist ihre Nähe zur jeweiligen Region und der Bevölkerung vor Ort. Teilnehmer und Themen sollen von den Menschen selbst vorgeschlagen und in aufeinander aufbauenden Salonveranstaltungen weiterentwickelt werden. Theatralische Elemente und Moderation des Salons sollen vorhandene Diskussionen aufgreifen, bündeln und dokumentieren und in Richtung konstruktiver Ergebnisse lenken. Kulturelle Aktion setzt im Salonkonzept also immer bei den Wünschen der Menschen am jeweiligen Ort an, um Ergebnisse zu erzeugen, die auch über die Grenzen der Region und des Landes hinaus interessant sind.

Inhaltlich ist der Emscher-Salon weitestgehend offen, auch wenn seine Themen immer um die Zukunft der Menschen kreisen sollen. Die formale Gestaltung sorgt dagegen für Konstanz. Stets gleich bleibende Elemente wie die Salonière, der Salonlöwe und ein Büdchen(1)0 garantieren eine hohe Wiedererkennbarkeit, die den Emscher-Salon zu einem unverwechselbaren Event macht.

II. Der Kontext

Auf der Suche nach einer Plattform für den interkulturellen Dialog über die Zukunft der Emscherregion bietet sich der Salon wie keine andere Organisationsform des gesellschaftlichen Diskurses an. Seit der Renaissance und damit seit dem Beginn dessen, was wir als Neuzeit verstehen(2), beweist der Salon, dass kulturelle Brückenschläge und innovative Konzepte auch und gerade außerhalb institutionalisierter kultureller Strukturen entstehen können. Der Salon zeigt dabei eine hohe Anpassungsfähigkeit. Er ist bei den Kurtisanen der italienischen Renaissance ebenso existenzfähig wie am Hof des Sonnenkönigs oder in der Prager Künstlerszene zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts – nahe den Zentren der Macht also ebenso wie an den Rändern der Gesellschaft.

1. Der Salon – Integrationsinstrument mit Tradition

Auch wenn die Ursprünge des Salons in Italien liegen, entscheidend geprägt werden die Formen des Salons in Frankreich. Das Gedankengut der französischen Revolution wird nicht zuletzt in den Salons entwickelt und verbreitet. An der Schnittstelle zwischen aristokratischer und bürgerlicher Kultur bilden sie einen Gesprächsraum, in dem ein offener Dialog zwischen den rivalisierenden Ständen möglich wird – eine Dialogkultur, die allerdings mit der Französischen Revolution ihr Ende findet.

Mit den Flüchtlingen aus Frankreich kommt der Salon nach Deutschland. In der preußischen Hauptstadt existieren bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges Salons, in denen französisch gesprochen wird.(3) Schon bald bildet sich in Berlin aber eine eigene Form des Salons heraus, welche die emanzipatorische und integrierende Kraft dieser Dialogplattform besonders deutlich unter Beweis stellt.(4) Obwohl die Themen des Berliner Salons weitaus unpolitischer sind als die der vorrevolutionären französischen, ist ihre Emanzipationsleistung im starren gesellschaftlichen Gefüge der preußischen Gesellschaft deutlich höher. Der Salon schafft seinen egalitären, standes- religions-. und geschlechterübergreifenden Freiraum bewusst als Antithese zur herrschenden Gesellschaft, der Dialog gleich gesinnter Menschen unterschiedlichster sozialer Herkunft wird erfolgreich ermöglicht, obwohl er gesellschaftlich unerwünscht ist.

Auch inhaltlich ist der Salon mehr als ein Ort bloßer Diskussion und Rezeption literarischer oder philosophischer Inhalte, er ist eine eigenständige kulturelle Produktionsplattform, sei es für Ideen, Literatur oder Musik. Zum Gespräch als konstituierendem Element des Salons kommen also immer wieder Vorträge, Konzerteinlagen und Theateraufführungen hinzu. Spontaneität spielt dabei eine entscheidende Rolle, selbst Vorbereitetes muss improvisiert erscheinen, um Erfolg zu haben. Nur weniges von dem, was im Salon entsteht, wird festgehalten. Eine orale Erzähltradition, die zum Zeitpunkt der Berliner Salons faktisch schon im Aussterben begriffen war wird im Salon reaktiviert.(5) Dennoch entwickelt der Salon auch eine kollektive Form der schriftlichen Literaturproduktion. Schon im Salon von Rambouillet entstehen Anthologien wie die „Guirlande“, eine Tradition, die bis in die Berliner Salons fortgesetzt wird. Daneben werden Salonzeitschriften oder literarische Gästebücher erstellt, für die auch hochkarätige Gäste wie Goethe und Kleist Beiträge liefern. Deutlich experimenteller sind aber literarische Koproduktionen, bei denen Werke gemeinsam nach individuellen, vom Salon entwickelten Regeln erstellt werden.(6) Hier zeigt der Salon nicht nur seine soziale Integrationskraft, sondern auch seine Fähigkeit, eigenständige, innovative Ausdrucksformen zu entwickeln.

2. Theater – Brückenschlag zur breiten Öffentlichkeit

Trotz seiner hohen integrativen Kraft hat der Salon als Instrument eines breit angelegten Dialogs seinen entscheidenden Mangel. Er schlägt zwar Brücken, bleibt dabei aber letztlich elitär. Wenn es dem Emscher-Salon also gelingen soll, auch die Menschen in den Arbeitervierteln der Region zu erreichen, so muss er neue Kommunikationsinstrumente einbeziehen. Glücklicherweise sind entsprechende Ansatzpunkte durch die Einbeziehung des Theaters bereits im traditionellen Salon angelegt. Das Theater bietet speziell in seiner modernen Ausprägung die Chance, die Türen des Salons zu öffnen und den Brückenschlag zur breiten Öffentlichkeit zu bewältigen.

Entscheidend ist hierbei allerdings ein Theaterkonzept, das sich vom traditionellen Rollenverhältnis agierender Schauspieler auf einer Bühne und rezipierender Zuschauer im Parkett löst.

Seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts wird die Entdeckung des Zuschauers zu einem prägenden Element des modernen Theaters.

Eine entscheidende Voraussetzung für die Aktivierung des Zuschauers ist die Abschaffung der traditionellen Guckkastenbühne. Max Reinhard lässt z.B. von Hans Poelzig nach dem Ersten Weltkrieg den Berliner Zirkus Schumann in ein Volkstheater mit einer vom Publikum umgebenen Arenabühne umbauen. Noch weiter gehen die Pläne von Walter Gropius, der 1927 für Erwin Piscator ein „Totaltheater“ konzipiert, in dem alle Bühnenformen variabel realisiert werden können und das zusätzlich einen Spielring rings um den Zuschauerraum sowie vierzehn Leinwände für Filmeinspielungen vorsieht. Gropius‘ Projekt wird allerdings nicht gebaut und auch die realisierten Versuche innovativer Theaterbauten bleiben eher die Ausnahme. Breitenwirksamer ist die Tendenz, das Theater ganz aus seinen traditionellen Gebäuden herauszuholen. Vor allem Max Reinhardt verlegt seine Aufführungen immer öfter in Versammlungshallen, Kirchen oder Parks. Die Dadaisten schließlich tragen ihre Aktionen unmittelbar in das Alltagsleben der Bürger hinein und werden auf diese Weise zu Gründervätern der Performance.

Mit der Performance wird die Trennung von Schauspieler und Zuschauer in einem partizipatorisch verstandenen Theater faktisch aufgehoben.(7) Wichtig für das Projekt des Emscher-Salons ist dabei nicht nur die Möglichkeit, ein breites Publikum in Aufführungen einzubeziehen, sondern vor allem eine grundsätzlich andere Form der Selbstwahrnehmung, die durch diese partizipatorische Performance ermöglicht wird. Die Performance positioniert sich zwischen Kunst- und Lebenswelt und ermöglicht dadurch einen anderen Blick auf das Leben. Im multikulturellen Gemisch des Emscher-Salon treffen gesellschaftliche Gruppen zusammen, die ihre Form der Weltsicht zunächst nicht wahrnehmen können. Systemtheoretisch ist jedes wahrnehmende soziale System im Bezug auf seine eigene Wahrnehmungsleistung blind.(8) In der Beobachtung der Beobachtung, also einer Beobachtung zweiter Ordnung, wie sie die Performance ermöglicht, wird die Besonderheit der eigenen Wahrnehmung reflektierbar. Konkret bedeutet dies die Möglichkeit, seine eigene Weltsicht im Spiel quasi von außen wahrzunehmen, als eine unter zahlreichen Optionen zu erkennen und dementsprechend offener an einen Dialog unterschiedlicher Weltvorstellungen heranzugehen.

III. Das Konzept

Grundkonzept des Emscher-Salons ist es, Voraussetzungen für einen konstruktiven, interkulturellen Dialog über die Zukunft der Menschen an der Emscher zu schaffen. Dabei soll durch einen Blick über die Grenzen in andere Länder auch alternative Lösungsansätze aufgezeigt und diskutiert werden. Die Inhalte und Protagonisten dieses Dialogs sollen i. d. R. gemäß dem Prinzip der Bürgerbeteiligung ganz bewusst aus dem unmittelbaren Umfeld der jeweiligen Veranstaltung stammen. Dies setzt eine mehrstufige Vorgehensweise für jeden Salon der Veranstaltungsreihe einer Stadt voraus. Vor der ersten Salonveranstaltung wird ergebnisoffen in der Veranstaltungsstadt recherchiert. Die gesammelten Inhalte werden dann künstlerisch verarbeitet und schließlich als Grundlage der eigentlichen Salonveranstaltung genutzt. Bei den Folgeveranstaltungen dienen die dokumentierten Ergebnisse der vorangegangenen Salons als Basis. Zusätzlich wird vor Ort erneut Feed-back zu diesen Ergebnissen eingeholt. Für konstante Elemente über alle Einzelveranstaltungen hinweg sorgen dagegen Salonière und Salonlöwe sowie das Büdchen als Zentrum für Gespräch und Schauspiel.

1. Die Konstanten

Gastgeberin des Emscher-Salons ist die Emscher-Perle als Salonière. Sie steht für die künstlerischen Aspekte des Salons, für Vision und Emotion.

Zu jeder Salonière gehört ein Salonlöwe. Er steht für das Bodenständige und die Kommunikation im Salon. Er übernimmt die Moderation der Gespräche im Salon und sorgt dafür, dass Kontroversen nicht aus dem Ruder laufen, sondern für konstruktive Ergebnisse genutzt werden. Ideal für diese Rolle ist ein Darsteller/Moderator mit Migrationshintergrund. Die multikulturelle Mischung der Teilnehmer würde auf diese Weise auch von den Gastgebern gespiegelt.

Die Veranstaltungsorte der Emscher-Salons werden keine traditionelle Theatergebäude oder Säle für Podiumsdiskussionen sein. Umso wichtiger ist es, wiedererkennbare „Bühnen“-Elemente in die Salons einzubringen. Die zentrale Rolle übernimmt hierbei ein Büdchen.

Akustisches Markenzeichen der Veranstaltungen ist das Emscher-Salon-Lied, das fester Bestandteil jeder Veranstaltung und jeder Recherchetour vor Ort sein soll.

2. Die Phasen

2.1 Das Büdchen als Ü-Wagen

Startphase des ersten Emscher-Salons an jedem Ort ist eine Recherche, die spezifische Themen, Stimmungslagen, Befürchtungen und Hoffnungen für den jeweiligen Veranstaltungsort sammelt. Darüber hinaus sollen Menschen ermittelt werden, die für diesen Ort eine besondere Bedeutung haben und deshalb bei der Salonveranstaltung anwesend sein sollten. Gesucht wird dabei nach Menschen, die den Ort zu dem machen, was er ist.

Dreh- und Angelpunkt für die Kontaktaufnahme mit den Menschen ist ein Büdchen, das auf den Marktplätzen der Veranstaltungsorte aufgestellt wird. Emscher-Perle und Salonlöwe (sowie ein Fotograf) sind präsent, um das Projekt vorzustellen, mit dem Emscher-Salon-Lied oder kleinen theatralischen Einlagen für Stimmung zu sorgen und die eingefangenen Stimmungsbilder per Foto und auf Band zu dokumentieren. Darüber hinaus werden mehrsprachige Flyer verteilt, die auf Termin und Ort des bevorstehenden Emscher-Salons hinweisen. Fremdsprachige, vor allem türkische Einladungstexte sorgen dafür, auch bislang schwach integrierte Bevölkerungsgruppen in die Salonveranstaltungen einzubinden. Vor Ort stellen der zweisprachige Salonlöwe und die Emscher-Perle den Dialog sicher. Kooperationen mit Lokalzeitungen (beispielsweise der WAZ) sind sinnvoll, um den Besuch des Büdchens anzukündigen und anschließend darüber zu berichten. Nicht zuletzt ist das Ü-Wagen-Format wie geschaffen für eine Übernahme in lokale Radiosender (z. B. Radio Emscher Lippe, Antenne Ruhr, WDR).

Um die Recherche in Richtung der vorgegebenen Thematik Emscher-Zukunft zu kanalisieren, sollten Leitfragen vorgegeben werden.

Die inhaltlichen Fragen sollten um folgende Themenkomplexe kreisen

Bei den Ü-Wagen-Veranstaltungen für die Folgesalons einer Stadt ergeben sich die Fragestellungen vor allem aus der Dokumentation der Ergebnisse des vorangegangenen Salons. Durch die Einforderung von Feedback einer breiten Öffentlichkeit werden die Salonergebnisse wieder in die Bevölkerung hineingetragen, so dass der Salon nicht zu einer abgeschlossenen Veranstaltung werden kann, sondern seinen Charakter als Dialogplattform für die gesamte Stadt behält.

2.2 Pointierung – Die künstlerische Verarbeitung der Rechercheergebnisse

Ü-Wagen-Veranstaltung und Einzelinterviews ergeben für jeden Ort ein spezifisches Stimmungs- und Meinungsbild zum Thema Emscher-Zukunft. Aufgabe der künstlerischen Verarbeitung ist es, diese Ergebnisse sowohl bei der ersten, als auch bei den Folgeveranstaltungen zu einer emotional wirksamen, konstruktive Diskussionen anregenden Plattform zu machen. Es geht also nicht darum, Ergebnisse zu konsensfähigen Thesen zusammenzufassen, die passiv abgenickt werden, sondern ganz im Gegenteil offene Fragen oder vorhandene Kontroversen aufzuzeigen, die zur aktiven Beteiligung anregen.

Fester Bestandteil des Programms sollte ein Theaterstück von etwa 30 Minuten Länge sein, das die Erfahrungen aus der Befragung verarbeitet. Darüber hinaus sollten besonders pointierte Thesen und Zitate, aber auch Photos aus der Ü-Wagen-Veranstaltung und dem Ort auf Stellwänden sichtbar gemacht werden. Denkbar sind auch Einspielungen von kurzen Mitschnittpassagen aus den geführten Gesprächen.

3. Die Salonveranstaltung

Zentrum des Emscher-Salons sowie Ausgangspunkt für Spiel und Diskussion ist ein Büdchen. Die Veranstaltung beginnt mit dem Emscher-Salon-Lied und der spezifisch für diesen Ort erarbeiteten Theateraufführung. Mehrere Schauspieler schlüpfen in die unterschiedlichsten Rollen, die einen Querschnitt der lokalen Bevölkerung widerspiegeln – vom Rentner bis zum Teenager, vom LKW-Fahrer bis zum türkischen Gemüsehändler, vom Etablierten bis zum Arbeitslosen. Alle treffen sich am Büdchen zu einem Kaffee-Zwischenstop und kommen ins Gespräch. Auf diese Weise entwickelt sich ein Kaleidoskop von Lebensgeschichten, Personen und Ereignissen.

Im Anschluss an die Aufführung werden die im Theaterstück angesprochenen Themen von Emscher-Perle und Salonlöwe als Moderatoren aufgenommen und ins Publikum getragen. Das direkte Ansprechen der im Publikum verteilten „Ortsrepräsentanten“ und Prominenten kann zu Beginn des Gesprächs dazu beitragen, mit kalkulierbaren, aus den Interviews bekannten Positionen eine lebendige Diskussion in Gang zu bringen. Die Gesprächsrunde sollte dann aber sehr rasch auf das gesamte Publikum ausgedehnt werden, um den Charakter einer verkappten Podiumsdiskussion zu vermeiden.

Der Saloncharakter der Veranstaltung wird durch einen lockeren Ausklang mit Livemusik und Getränken unterstrichen. Während dieses Ausklangs sollte ein Gästebuch zirkulieren, in dem die Teilnehmer ihre Eindrücke und Meinungen festhalten können. Dies Gästebuch wird bei allen Veranstaltungen genutzt, schafft eine Verbindung zwischen den Veranstaltungen und hält letztlich eine Chronologie aller durchgeführten Emscher-Salons fest. Mit Fotografien der Veranstaltungen und dem Text der jeweiligen Theaterstücke lässt sich daraus eine anschließende Publikation erarbeiten, welche die Inhalte und Ergebnisse der Salonveranstaltungen überregional und gegebenenfalls auch international verbreitet.

Jeder Salon schafft mit seinen Ergebnissen die Grundlage für die darauf folgende Veranstaltung. Es ist daher erforderlich, dass nicht nur die Ü-Wagen-Veranstaltungen, sondern auch die Salons dokumentiert werden. Neben Fotografien, die für Stellwände und das Salon-Buch genutzt werden können, macht eine Videodokumentation Sinn. Der Aufwand für eine Dokumentation auf produktionsfähigem Niveau würde den finanziellen Rahmen vermutlich sprengen. Bei einer Kooperation mit einem Fernsehsender (siehe Abschnitt 7) würde sich eine entsprechende, für die Verdichtung nutzbare Dokumentation automatisch ergeben.

Eine Sonderrolle nimmt der „Emscher-Gipfel“ in Essen als abschließende, übergreifende Salonveranstaltung ein. Hier geht es darum, die Beiträge der einzelnen Salons zusammenzuführen. Die Grundmechanik kann hierbei beibehalten werden – auch der „Emscher-Gipfel“ wird durch Ü-Wagen-Veranstaltungen in den Emscher Salon-Städten vorbereitet. Abweichend von den vorherigen Veranstaltungen wird jedoch nicht die Weiterentwicklung des lokalen Dialogs, sondern die konstruktive Konfrontation der unterschiedlichen Einzeldialoge im Mittelpunkt der Veranstaltung stehen. Darüber hinaus macht es Sinn, neben den zahlreichen Essener Teilnehmern eine Auswahl besonders aktiver „Ortsrepräsentanten“ und regelmäßiger Salonteilnehmer nach Essen einzuladen, um nicht nur die Dialogergebnisse, sondern auch die zentralen Akteure des Dialogs in die Abschlussveranstaltung einzubringen.

4. Der Blick über die Grenzen

Die Wahl Essens zur Kulturhauptstadt öffnet nicht nur die Tür zur Welt sondern auch die Salontür. Sobald die ersten Salons in der Emscherregion stattgefunden haben, sollen weitere Salons im Ausland initiiert werden. Zu diesem Zweck werden zwei Städte/Regionen identifiziert, in denen es vergleichbare Aufgaben wie in der Emscherregion zu bewältigen gibt. Vertreter der Salons im Ausland werden zu den Salons in der Emscherregion eingeladen, um über ihre Erfahrungen zu berichten. Im Emscher-Gipfel soll dann ein Austausch zwischen allen Salongesellschaften stattfinden. Leitfragen hierbei sind: Was geschieht im Salon des anderen Landes? Wie gehen die Menschen dort mit ihren Problemen um? Welche Ziele und Wünsche haben sie? Was können wir voneinander lernen?

5. Die Zielgruppe

Der Fokus des Salons liegt auf der durchschnittlichen Bevölkerung – unabhängig von ihrer Nationalität und Bildung. Für die Umsetzung des Emscher-Salons gilt daher, dass möglichst alle hemmenden Grenzen, die eine Beteiligung verhindern könnten abgebaut werden müssen. Die Ansprache muss einfach verständlich und möglichst zweisprachig sein, der Rahmen der Veranstaltung so gewählt werden, dass die Angesprochenen sich „zuhause“ fühlen.

6. Die Orte

7. Die Medien: Kooperationen mit Radio und Fernsehen

Bei der Durchführung der Salonveranstaltung ist eine Kooperation mit der lokalen Presse in jedem Fall sinnvoll, um Aufmerksamkeit für Ü-Wagen-Veranstaltung und Emscher-Salon zu wecken und für hohe Publikumszahlen zu sorgen. Zur Förderung des interkulturellen Dialogs würde eine Berichterstattung in beispielsweise türkischsprachigen Medien beitragen (z.B. Hürriyet, bekannteste türkische Tageszeitung). Darüber hinaus bietet sich die Ü-Wagen-Veranstaltung durch ihr rundfunkaffines Format wie bereits angesprochen für eine Kooperation mit lokalen Rundfunksendern an. Der Emscher-Salon ist dagegen durch den visuellen Schwerpunkt des Schauspiels eher für das Medium Fernsehen interessant. Ideal wäre eine kontinuierliche Begleitung des Projekts durch das WDR Fernsehen beziehungsweise eines seiner Lokalfenster. Bei einer entsprechenden Kooperation müssten die höheren technischen Anforderungen für Schauspiel und Veranstaltungsort berücksichtigt werden. Je stärker es dem Emscher-Salon gelingt, zu einer Institution in der Region zu werden, umso leichter wird sich auch eine überregionale Berichterstattung, insbesondere in den Herkunftsländern der Menschen mit Migrationshintergrund erreichen lassen.

8. Der Zeitplan

Der Emscher-Salon soll ab 2007 dreimal jährlich in den ausgewählten Städten der Region stattfinden. 2009 sollen auch Salons im Ausland etabliert werden. Im Jahr 2010 folgt der abschließende Salon als „Emscher-Gipfel“ in Essen. Anfang 2007 sollte mit der Feinplanung begonnen werden.

Anmerkungen

(1) Büdchen sind eine feste Institution der Region – Orte, an denen man Kleinigkeiten einkauft, etwas trinkt, vor allem aber zusammenkommt um zu plaudern.

(2) Zur Geschichte des Salons vgl., Peter Seibert: Der literarische Salon. Ein Forschungsüberblick, in: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur. 3. Sonderheft: Forschungsreferate, 1933, S. 159 – 220.

(3) Eine umfassende Darstellung der Berliner Salons findet sich bei Petra Wilhelmy: Der Berliner Salon im 19. Jahrhundert (1780 – 1914) Berlin, New York (De Gruyter) 1987.

(4) Hannah Arend vertritt die These, dass es gerade der Außenseiterstatus der jüdischen Familien ist, der es ermöglicht, „soziale Räume außerhalb der Gesellschaft“ zu schaffen, in denen eine gleichrangige Begegnung jenseits gesellschaftlicher Schranken möglich wird. Hannah Arend: Rahel Varnhagen. Lebensgeschichte einer deutschen Jüdin aus der Romantik. München 1959 S. 62.

(5) Die orale Tradition des Salons ermöglicht besonders schnelle und pointierte Reaktionen, gleichzeitig wird eine Wirkung über den Salon hinaus aber erschwert. vgl. Brigitte Schlieben-Lange:Traditionen des Sprechens. Elemente einer pragmatischen Sprachgeschichtsschreibung. Stuttgart, Berlin, Köln (Kohlhammer) 1983 S. 84.

(6) Auch wenn Hugo Ball sich 1915 kritisch über die Chancen des Berliner Salons äußert (Brief an Käthe Brodnitz vom 9.4.1915. In: Hans-Georg Kemper: Vom Expressionismus zum Dadaismus. Eine Einführung in die dadaistische Literatur. Kronberg (Cornelsen/Scriptor) 1974 S. 15) werden hier Produktionsformen entwickelt, die der Dadaismus und später der Surrealismus aufgreifen.

(7) Teilweise wurde für partizipatorisch orientiertes Aktionstheater der Begriff Happening bevorzugt, inzwischen hat sich aber Performance als übergreifende Bezeichnung durchgesetzt. Vgl. Thomas Dreher: Performance Art nach 1945. Aktionstheater und Intermedia. München (Fink) 2001.

(8) Heinz von Foerster hat für dieses Phänomen den wahrnehmungsphysiologischen Begriff des „blinden Flecks“ umgemünzt, der wiederum von Niklas Luhmann in seinen Arbeiten zur Systemtheorie aufgegriffen wird. Vgl. Elena Esposito: Die Beobachtung der Kybernetik. In: Dirk Baecker: Schlüsselwerke der Systemtheorie. Wiesbaden 2005 S. 291-302.

 

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